Tosca

Freie Arbeit

Beschreibung

Es gab diese kleine ver­rauchte Arbeit­erkneipe in unser­er Nach­barschaft. Als Kind betrat ich diesen düsteren Ort nur von Zeit zu Zeit zum Eis kaufen, ver­ließ ihn aber immer wieder so schnell wie möglich. Ich hat­te ein unbe­haglich­es Gefühl und Skep­sis vor den Gästen, obwohl mein geschätzter Vater es damals wie heute regelmäßig auf­sucht. Erst als Mitt-Dreißiger, war ich bere­it für den Blick zurück in die Ver­gan­gen­heit und hin­ter die ver­raucht­en Kulis­sen. Ich wollte wis­sen, was es mit diesem mys­tis­chen Platz mein­er Kind­heit tat­säch­lich auf sich hat und mit welchen Men­schen mein Vater seine Zeit ver­bringt. An zwei Aben­den richtete ich ein impro­visiertes Foto­stu­dio in einem Hin­terz­im­mer des Café Tosca ein und porträtierte die Stam­mgäste und die Bekan­nten meines Vaters. Mein Inter­esse galt vor allem den Charak­teren und den Geschicht­en, die ihre Gesichter erzählen. Ich erkan­nte den Mann wieder, der mich als Kind grob von meinem Fahrrad geris­sen hat­te, und den Vater der zwei Jungs, die ich in Kind­heit­sta­gen belächelt und später bedauert hat­te. Auch war ich über­rascht, unsere Nach­barin vorzufind­en, und eine Rei­he weit­er­er liebenswürdi­ger und warmherziger Men­schen. Ich begrub meine Vorurteile und begann zu ver­ste­hen, was mein Vater in deren Mitte findet.